Nachlese: Risk Management Congress (1.Tag)

Nachlese: Risk Management Congress (1.Tag)

(Bildquelle: RMA)

Live is life: RMC mit gelungenem Restart

Die RMA Risk Management & Rating Association e.V. (RMA) eröffnet die 16. Auflage des Risk Management Congress am 16. Mai 2022 in München. Über 20 Fachvorträge aus dem Risikomanagement-, Compliance-, Governance- und Rating-Umfeld sowie der hohe Teilnehmerzuspruch von 150 Besuchern sorgen für einen gelungenen Restart der zweitägigen Fachkonferenz - denn live is life. 

Am Sonntag, den 15. Mai, feierten über 10.000 Fans die neuerliche Fußballmeisterschaft des FC Bayern, diesmal wieder auf dem Marienplatz in München. Ausgelassen war die Stimmung – gerade nach den letzten beiden Corona-Jahren ohne öffentliche Party. Bei aller Freude über den 10. Titel infolge wurden die Verantwortlichen nicht übermütig. Sie überließen nichts dem Zufall, sorgten für Sperrungen und Sicherheitskontrollen in allen Zufahrtsstraßen rund um den Marienplatz. So schreibt die Münchner Tageszeitung im Vorfeld: „Aus Gründen der Sicherheit werden (…) an allen Zugängen Sperrungen vorbereitet, die je nach Andrang in Kraft gesetzt werden können“. Hinzu kam auf dem gesamten Gelände ein Glas-Verbot und für Pyrotechnik. Und weiter heißt es: „Wie die Stadt München mitteilt, werden an allen Zugängen zum Marienplatz Taschen-Kontrollen durchgeführt. Vor dem Rathaus wird zudem ein Sicherheitsbereich abgesperrt.“ Ein vorbildliches Risikomanagement der Veranstalter, um mögliche Sicherheitsrisiken für die Besucher zu minimieren und gleichzeitig die Chancen auf eine schöne Meisterfeier zu wahren.

Apropos Veranstaltung. Keine fünf Kilometer Luftlinie von der Fußballfeier entfernt, startete einen Tag später der 16. Risk Management Congress 2022 (RMC). Im Rahmen dessen standen zwar keine Meisterfeierlichkeiten im Fokus. Doch gleichfalls wurde die Veranstaltung nach zweijähriger Abstinenz wieder in Präsenz durchgeführt und das mit Experten, die mit Risiken und Chancen umzugehen wissen. Denn ihr tägliches Brot sind die Themen Risikomanagement, Compliance, Governance und Rating im organisationsweiten Kontext. Ralf Kimpel verwies in seiner Eröffnung auf die große Bandbreite an Themen im Rahmen der Konferenz – vorgestellt durch eben diese Risikomanagementexperten.


RMA-Vorstandsvorsitzender Ralf Kimpel bei der Eröffnung des RMC. (Bildquelle: RMA)

Risikomanagement heißt Chancensicht

Passend dazu stand der Eröffnungsvortrag unter dem Titel: „Risikomanagement aus Sicht eines Unternehmers: Wer nichts wagt, der nichts gewinnt oder ist Vorsicht doch die Mutter der Porzellankiste?“ Antworten auf diese Frage im Umgang mit Unternehmensrisiken gab Dr. Marc Al-Hames, CEO der HolidayCheck Group. Mallorca, 26 Grad. Sonne, es riecht nach Meer. Impressionen, die zum Reisen anregen. Dem Traum vieler Menschen, den Al-Hames in seinem Einstieg umreißt. Doch der Verkauf von Reisen und die damit verbundenen Träume bekamen mit Beginn der Corona-Pandemie erhebliche Risse. So wurde beispielsweise das Geschäftsmodell des Reiseunternehmens mit Beginn der Corona-Krise massiv durcheinandergewirbelt. Al-Hames: „Wir sind faktisch zum Stillstand gekommen in der kompletten Reiseindustrie.“ Was das für die HolidayCheck Group bedeutete, beschreibt Al-Hames an nackten Zahlen: „Es war keine leichte Zeit. Wir kamen von 124 Millionen Umsatz 2019 und landeten bei minus fünf Millionen Umsatz im ersten Quartal 2020.“ 

In diesem Zuge musste das Unternehmen die Kosten reduzieren, das Marketing merklich herunterfahren und Stellen abbauen. Und doch konnte die HolidayCheck Group ohne staatliche Unterstützung durch die Krise kommen – auch aufgrund einer Kapitalerhöhung durch den Hauptinvestor. Im weiteren Verlauf hat das Reiseunternehmen die Corona-Krise genutzt, um sich neu aufzustellen. Somit wurde das Geschäftsjahr 2021 sehr profitabel beendet.

Mit Blick auf das Risikomanagement warnt Al-Hames vor einem Vollversicherungsgedanken, der sich in der Gesellschaft und in Unternehmen in den letzten Jahren ausbreitet. Ein fatales Denken. Denn wer geht noch unternehmerische Risiken ein, ohne der permanenten Gefahr ausgesetzt zu sein, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen. „Wir brauchen eine ehrliche Diskussion im Risikomanagement“, wünscht sich Al-Hames. Damit einhergeht die Aufgabe, wie Risikomanager den Organisationen wirklich helfen können. Al-Hames: „Ich möchte keine Risiken dokumentieren, die wir nicht verhindern können.“ Stattdessen spricht der Manager davon, stärker potenzielle Optionen für die Organisation zu suchen. „Wir brauchen Risikomanagement“, unterstreicht Al-Hames. Seiner Meinung nach müsse es aber darum gehen, die Chancensicht mehr in den Mittelpunkt der geschäftlichen Aktivitäten zu rücken.  


Dr. Marc Al-Hames, CEO der HolidayCheck Group, und sein Blick auf die Reisebranche. (Bildquelle: RMA)

Keine Silos, sondern unternehmensübergreifende Zusammenarbeit

Vor dem Hintergrund von Geschäftsaktivitäten bestehen immer Risiken. Wichtig ist der Umgang mit selbigen und vor allem eine vorausschauende Planung und bessere Zusammenarbeit im Vorfeld sowie im Fall der Fälle. Wie dies besser gelingen kann, darum drehte sich der Vortrag: „Nationale Analyse & Strategieplattform für Wirtschaftsschutz (NAS)“ – ein gemeinschaftliches Vorhaben von Unternehmen nimmt Form an.“ Lutz Wohlfahrt, Projektleiter der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V. (ASW), Chief Security Officer Profunda, nahm die Zuhörer mit auf eine Sicherheitsreise. Die Aufgaben des ASW-Verbands sieht Wohlfahrt unter anderem darin, als Stimme der Sicherheit der deutschen Wirtschaft aufzutreten. Zudem sei der ASW nach Wohlfahrts Worten Partner von Regierung und Politik, von Behörden sowie der Wissenschaft in Sicherheitsfragen. „Es muss darum gehen, über den Tellerrand hinauszuschauen“, so der ASW-Projektleiter. Hinsichtlich der NAS-Strategie steht die frühzeitige und ausreichende Versorgung von Unternehmen mit den sicherheitsrelevanten Informationen im Mittelpunkt. Sprich Informationen, die zur Realisierung der unternehmerischen Ziele notwendig sind.

Die strategische Ableitung für die NAS umreißt Wohlfahrt beispielsweise vor dem Hintergrund einer zielgerichteten Zusammenarbeit und Vernetzung mit Unternehmen oder in der Anwendung vergleichbarer Arbeitsmethoden. Hinzu kommt die Etablierung von Austauschprozessen mit Sicherheitsbehörden und politischen Entscheidungsträgern, aber auch in der Intensivierung der Public Private Partnership (PPP) im konkreten, präventiven sowie reaktiven Bedarfsfall. Bei allen Überlegungen zur Ereignisbewältigung und dem Krisenmanagement steht nach Wohlfahrts Dafürhalten die Risikovermeidung im Mittelpunkt oder wie er es nennt: „Die hohe Kunst liegt in der Vermeidung von Ereignissen.“ Wenn wir akute Ereignisse mit Sicherheitsrelevanz haben, dann steht das Handling der vier Kernbereiche Mitarbeiter, Standorte/Sachwerte, Geschäftsprozesse und dem Know-how im Zentrum.  

Wohlfahrt: „Es geht um Grundsatzfragen.“ Damit verbunden ist die Schaffung eines Rahmens, der eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht und die hierfür erforderliche Akzeptanz findet – auch bei der Unternehmensleitung.  Projektleiter Wohlfahrt sieht bei den fachlichen Herausforderungen die Verständigung auf gemeinsame Arbeitsgrundlagen. Und das vor allem hinsichtlich der Methoden und als auch des Informationsaustauschs. Doch wie lassen sich bessere Ergebnisse aus den Lagezentren gewinnen? 
Eine Antwort: Es muss unter anderem stärker darum gehen, nicht in Silos zu denken. „Voraussetzung dafür sind beispielsweise die Öffnung und Bereitschaft der besseren Zusammenarbeit“, so Wohlfahrt. Grundsätzlich sieht er den Bedarf nach schnellen und pragmatischen Lösungen. Und die dürfen nicht von unstrukturierten Informationslagen und isolierten Handlungen geprägt sein. „Neben der Definition gemeinsamer Ziele und resultierender Standards, sind klare Spielregeln der Zusammenarbeit unumgänglich, wie Wohlfahrt resümiert.“ In diesem Sinne wünscht sich Wohlfahrt eine engere, strukturierte Zusammenarbeit der Unternehmen. Damit verbunden sind „Hausaufgaben“, die noch zu erledigen sind, sei es unter anderem die Integration von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) oder die Zusammenarbeit mit Dienstleistern.

Vom Personal, den Risiken und den „drei R“

Über die Bedeutung des Personalrisikomanagements referierten Jan-Paul Giertz, Referatsleiter Personalmanagement und Mitbestimmung, Hans-Böckler-Stiftung, und Prof. Dr. Thomas Berger, Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Stuttgart. Warum gewinnen Personalrisiken gerade heute an Bedeutung? Eine Antwort liefert Giertz mit der Aussage: „Es gibt einen Engpass qualifiziertes Personal zu finden sowie Beschäftigte überhaupt zu halten.“ Hinzu komme seiner Meinung nach der Change-Prozess in den Organisationen sowie die steigenden gesellschaftspolitischen Herausforderungen. Außerdem liegen veränderte normative und rechtliche Rahmenbedingungen vor. 


Endlich wieder Networking im Rahmen des RMC. (Bildquelle: RMA)

Damit einhergeht, dass Unternehmen daran gemessen werden, wie sie die veränderten Anforderungen managen – etwa von Investoren und potenziellen Mitarbeitern, aber auch von Beschäftigten und ihren Interessenvertretungen. Eine wesentliche Rolle spielt darüber hinaus die Transparenz und Digitalisierung, um die Quantifizierbarkeit der Mitarbeiter zu verbessern. 

In der Realität zeigt sich eine beschränkte Strategiefähigkeit des Personalbereichs. Ein Beispiel: Über ein eigenständiges Personalressort verfügten 2019 nur 47,3 Prozent der mitbestimmten Unternehmen. Zudem besitzen weniger als 50 Prozent der größeren
Unternehmen eine explizite Personalstrategie. Im Grunde nicht genutzte Chancen und Potenziale, denn Mitarbeiterführung sowie die Gewinnung von Fach- und Führungskräften sind Schlüsselfaktoren für Organisation aller Größen. Befeuert werde dieser ganze Prozess nach Giertz noch durch die Tatsache, dass Aufsichtsräte schwach in HR-Themen seien. Grundsätzlich müssten Organisationen von der Unternehmensstrategie zur Personalrisikosteuerung kommen. 

Daraus abgeleitet und vor dem Hintergrund des Risikomanagements empfiehlt Wissenschaftler Berger Personalrisiken mit Bezug zur Personalstrategie zu analysieren. Außerdem sollten Informationen an den Aufsichtsrat auf die Erwartungen abgestimmt werden und diese Erwartungen schlussendlich auch prüfen. Schlussendlich sollte der HR-Fachbereich einbezogen und geschult werden. Und das hinsichtlich der Methoden des Risikomanagements, aber auch bezüglich der Konzepte des Personalrisikomanagements. Entscheidend ist zudem die Quantifizierung mit einfachen Modellierungen. Grundsätzlich gehe es nach Bergers Meinung vor allem darum, Berührungsängste abzubauen und ein strategieorientiertes Risikomanagement als gemeinsames Projekt zu definieren. In Summe wichtige Eckpfeiler, um die Zukunft von Unternehmen zu sichern. Denn ohne eine professionelle Mitarbeiterentwicklung lassen sich die großen Zukunfts- und Transformationsthemen nicht bewältigen. 

Das zeigt, dass es stärker darum gehen muss, den Blick auf Zukunftsthemen zu lenken – sozial, ökonomisch, gesellschaftlich und wissenschaftlich. Ganz in diesem Sinne referierte Dr. Daniel Dettling, Leiter Berliner Büro, Zukunftsinstitut. Sein Vortrag stand unter dem Motto: „Vom Risiko zur Resilienz – Megatrends als Treiber der Transformation.“ Wichtig erscheint der Vortragstitel vor allem vor dem Hintergrund, dass nach Dettlings Worten Risiken immer weniger kalkulierbar seien. Gleichzeitig erzeugt jede Krise ihr eigenes Bild, wie der schwarze Schwan im Risikomanagementumfeld als Sinnbild der Krise zeigt. Dabei ist die Krisenbandbreite groß, angefangen bei der Corona-Pandemie bis zum aktuellen Ukraine-Krieg. „Der Ausnahmezustand wird zum Normalzustand“, so Dettling mit einem Bezug Richtung Ulrich Beck, dem verstorbenen Soziologen. Die Zukunft vorauszusagen wäre seiner Meinung nach vermessen, aber das Rüstzeug im Umgang mit der Zukunft ist eigentlich vorhanden. Im Grunde geht es unter anderem darum, die Komplexität anzunehmen. 


Zukunftsforscher Dr. Daniel Dettling und die Megatrends. (Bildquelle: RMA)
Hinsichtlich der Megatrends nennt der Zukunftsforscher unter anderem die Mobilität, die Sicherheit, aber auch die Globalisierung und Neo-Ökologie sowie die Themen Wissenskultur und Gesundheit. „Alles hängt mit allem zusammen“, bringt es Dettling auf den Punkt. Seiner Ansicht nach komme es darauf an, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dettling: „Das ist keinesfalls trivial.“ Es geht um individuelle Strategien im Verbund mit Organisationen, um Entscheidungsalternativen und darum, die Resilienz zu stärken. Das neue Modell der Resilienz 2.0 sieht zum Beispiel nachhaltige Lieferketten und dementsprechende Wertschöpfungsketten vor. Ein Ziel sollte deshalb die resiliente Welt sein, was Umfragen bestätigen. Dettling nennt in diesem Kontext die „drei R“ aus „Redundanz, Robustheit und Resilienz“. In Politik und Wirtschaft muss es vielmehr darum gehen, Stresstests durchzuführen. Komplexe Systeme brauchen solche Stresstests. Ein Fakt, den beispielsweise die Politik bis dato zu wenig beachtet hat. Dies alles setzt einen Kulturwandel voraus, politisch, wirtschaftlich und wissenschaftlich. Sein Rat: „Menschen müssen sich auf die nicht automatisierbaren Fähigkeiten in der Arbeitswelt konzentrieren.“ Resümierend stellt Zukunftsforscher Dettling heraus, dass es zukünftig viel stärker darum gehen wird, der schönen Utopie nach einer besseren Welt zum Durchbruch zu verhelfen. Und mit diesem Blick nach vorne endet der erste Tag des Risk Management Congress. Einem Tag, der ganz im Zeichen des erfolgreichen Restarts der Jahreskonferenz der Risikomanager stand. 

 

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