Rating und Krisenmanagement: für den Ernstfall gut gerüstet?

Editorial der RMA-News im Controller Magazin

Liebe Leserinnen und Leser,

in diesem Beitrag möchte ich gerne auf die Frage eingehen, weshalb ein „gutes“ Krisenmanagement bereits lange vor einer Krise beginnt und aus welchen Überlegungen das Rating eines mittelständischen Unternehmens in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle spielt. Zur Vertiefung dieses Themas darf ich auch auf die Artikelserie zum Thema „Rating“ verweisen, die mit der Ausgabe 3 - Juli/August 2022 im Controller Magazin gestartet ist.

Konflikte und Krisen haben sich in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Ob die Corona-Pandemie, reißende Lieferketten oder der Ukraine-Krieg an dieser Stelle erwähnt werden, mit diesen für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen nicht besonders förderlichen Entwicklungen werden wir sicherlich noch eine längere Zeit leben müssen. Weltweit kommen Unternehmen in bedrohliche Situationen, mit teilweise verheerenden Folgen für ganze Branchen und den globalen Handel. Und hier stellt sich auch die Frage, ob Unternehmen in den vergangenen Jahren im Handling mit potenziellen Krisen zu leichtfertig umgegangen sind.

Wenn dieser Aspekt tiefergehend beleuchtet wird, kann als nachvollziehbares Beispiel das „finanzielle Krisenmanagement“ hervorgehoben werden. Einige Unternehmen haben es in den letzten Jahren vor der Corona-Pandemie, mit einem stabilen wirtschaftlichen Wachstum verbunden, versäumt für eine Krisensituation finanziell vorzubeugen. Deutlich wird das unter anderem in einer schlechten Liquiditätssituation vieler Unternehmen. Dabei handelt es sich mit Blick auf die Liquidität um einen entscheidenden Faktor für Organisationen, um die Zahlungsfähigkeit für Unternehmen kurzfristig zu sichern. Doch gerade bei der Liquidität erleben Unternehmen immer wieder Engpässe, was zur Zahlungsunfähigkeit und schlussendlich zur Insolvenz führen kann. Wichtig wird das vor allem in Krisenzeiten, wenn Zahlungsausfälle drohen und finanzielle Lücken entstehen, die Unternehmen nicht kompensieren können.

Ähnliche Folgen haben Lieferengpässe für Unternehmen. Fallen beispielsweise Zulieferer durch Naturkatastrophen, Kriege, Embargos oder Streiks aus, stehen bei vielen produzierenden Firmen die Bänder still. Endprodukte können nicht gefertigt und ausgeliefert werden. Eine Situation, die nicht nur die Fahrzeugindustrie (Automotive) trifft, wie die jüngste Halbleiterkrise verdeutlicht. Denn diese hat massive Auswirkungen auf die Elektronikbranche. Letztendlich eine Kettenreaktion, die sich auch auf die kurzfristige Liquidität von Unternehmen niederschlägt. Daran lässt sich sehr gut die Verwundbarkeit unserer globalen und eng verzahnten Wirtschaftswelt ablesen. Auf viele dieser Szenarien, wenn auch nicht auf alle, hätten sich Unternehmen in den letzten Jahren vorbereiten können, um wirtschaftlichen Schieflagen vorzubeugen. Das wiederum setzt ein vorausschauendes Gesamtrisikomanagement, als Analyse,- Überwachungs- und Steuerungsinstrument in Organisationen voraus. Doch davon sind viele Unternehmen noch weit entfernt, gerade was den Reifegrad des Risikomanagements betrifft. Die Qualität des Risikomanagements hat demzufolge auch unmittelbare Auswirkungen auf die Ratinganalysen und -bewertungen der Unternehmen.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat in 2020 ein umfangreiches Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (ESG-Kriterien) veröffentlicht, welches sich auch auf die Entwicklung von Ratings auswirkt. Durch die Umsetzung der Rahmenbedingungen wird insbesondere das Bewusstsein des Finanzsektors durch die BaFin sensibilisiert. Die BaFin wies auf die Chancen und Risiken hin, die sich durch die Veränderungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance) für die Finanzakteure ergeben.

Die BaFin erwartet darüber hinaus auch eine regelmäßige Überprüfung der Geschäfts-und Risikostrategie der Unternehmen - immer unter dem Aspekt der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken. Leitfragen zur Untersuchung der Geschäfts- und Risikostrategien können ebenfalls dem BaFin-Merkblatt entnommen werden. Die Nachhaltigkeitsrisiken sollten weiterhin in die Organisationsrichtlinien und die Prozessbeschreibungen in den Unternehmen aufgenommen werden. Die Verantwortung für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken ist im Wesentlichen die Aufgabe des Managements, mit der Maßgabe, die Analyse der Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen der Geschäftsorganisation umzusetzen. Dies erfordert auch die Anpassung der Organisationsrichtlinien in den Unternehmen.

Krisenmanagement und Rating hängen unmittelbar zusammen. Unternehmen müssen darauf achten, auch in Krisenzeiten ihre Kreditwürdigkeit zu wahren und nicht in den Strudel einer hohen Ausfallwahrscheinlichkeit und damit eines Bonitätsverlustes zu geraten. Durch die Kreditvergaben entstehen zwangsläufig die inhaltlichen Verbindungen zu den Ratingprozessen. Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit im Rahmen von Kreditvergaben und deren Prozessen werden neben den bereits bekannten etablierten Kreditvergabeprozessen zwischenzeitlich immer häufiger die sogenannten „ESG-Ratings“ eingesetzt. Im Rahmen der Bonitätseinstufungen von Unternehmen bei Kreditvergaben ist zu differenzieren, ob klassische herkömmliche Kreditratings oder ESG-Ratings Anwendung finden. Häufig beeinflussen ESG-Faktoren die Analyse der Wirtschaftlichkeit, der Marktsituation, der Unternehmensführung und der sonstigen Performance der Unternehmen - und können demzufolge auch eine Grundlage für die klassischen Kreditratings sein. 

Hierzu ist neben weiteren Kriterien auch die Liquidität eines Unternehmens zu analysieren. Dieser Faktor ist aber nur eine Seite der wirtschaftlichen Medaille. Hinzu kommen vier wichtige Kennzahlen, um eine solide Finanzstruktur eines Unternehmens zu erkennen. Neben der Eigenkapitalquote sind die Kapitalrendite, der Cashflow zu Umsatz als auch zu Gesamtkapital entscheidend. Diese vier Kennzahlen bilden das Rückgrat eines Unternehmens und dienen als Bewertungsgrößen für Banken und Versicherungen. Grundsätzlich sind Unternehmen mit einer ‚gesunden‘ Finanzierungsstruktur im Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital und einer ordentlichen Bonität auf Veränderungen gut vorbereitet. Mit Blick auf das Rating und die Bereitstellung von Kreditsicherheiten zeichnet sich der Trend ab, wonach Unternehmen verstärkt auf die Gestaltung der Kreditkonditionen einwirken werden. Hinzu kommt, dass Unternehmen langfristige Investitionen zunehmend durch die Aufnahme von Förderkrediten zu günstigen Zinssätzen finanzieren. In diesem Zuge nehmen Unternehmen verstärkt Beratungsleistungen von Kammern oder Verbänden in Anspruch. Dieser Mix aus optimierten Finanzstrukturen in den Organisationen in Kombination mit externen Ankerpunkten zur Finanzierungssicherheit und Beratungsleistungen können helfen, das Risiko von Ausfallwahrscheinlichkeiten und Bonitätsverlusten merklich zu minimieren. In diesem Sinne verbleibe ich

mit den besten Grüßen

Ihr Prof. Dr. Wolfgang Biegert