Risikomanagement-Lehre steckt noch in Kinderschuhen

Die mit der Wirtschaftskrise deutlich gewordenen Mängel im Risiko- und Krisenmanagement vieler Unternehmen sind auch auf Ausbildungsdefizite zurückzuführen. Eine quantitative sowie qualitative Ausweitung der Ausbildung von Risikomanagern erscheint angesichts der dramatisch wachsenden Bedeutung des Risikomanagements somit dringend erforderlich.


Dr. Roland Franz Erben"Ein ‚Weiter so!‘ darf es im Risikomanagement nach der Krise nicht geben", erklärt Dr. Roland Franz Erben, Vorstandsvorsitzender der Risk Management Association (RMA) e. V., München.

"Wie in anderen Management-Bereichen brauchen wir auch im Risikomanagement ehrliche Antworten: Wo haben wir versagt? Welche Lektionen haben wir für das effiziente wie proaktive Management von Risiken gelernt? Wie finden wir mit unseren Methoden und Instrumenten erfolgreich aus der Krise?"

Dr. Erben nennt Defizite im Risikomanagement als eine wichtige Ursache für die Krise. Aufgrund von methodischen Fehlern, insbesondere der Verwendung unzureichender Modelle, wurden viele Risiken nicht erkannt bzw. nicht adäquat berücksichtigt. Neben dem Modell- hat Erben zudem ein Kommunikations-versagen ausgemacht: Selbst wenn Fehlentwicklungen vom Risikomanagement erkannt wurden, war dieses häufig nicht in der Lage, Gefahrenpotenziale adäquat beim Top-Management zu adressieren bzw. erforderliche Gegenmaßnahmen auch tatsächlich durchzusetzen. Somit machen auch Defizite im Bereich der "Soft Skills" eine Ausweitung und Verbesserung der Ausbildung von Risikomanagern erforderlich. "Neben ausgeprägten fachlichen Kompetenzen – etwa im Bereich der stochastischen Modellierung oder der Analyse von makroökonomischen Trends – sollten Risikomanager vor allem ausgeprägte soziale, analytische und kommunikative Fähigkeiten mitbringen", ergänzt Frank Romeike, stellvertretender Vorsitzender der RMA. Risikomanagement ist ohne Kommunikation nur schwer vorstellbar.

 

Spärliches Ausbildungsangebot, dominiert vom Finanzparadigma
Im Zuge der Krise erkennen immer mehr Unternehmen die Bedeutung eines ganzheitlichen Risikomanagements. Dies gilt nicht nur für die anfangs betroffenen Banken, sondern auch für andere Branchen, die mit realwirtschaftlichen Risiken bisher nicht gekannten Ausmaßes (Umsatzeinbrüche, Forderungsausfälle infolge von Kundeninsolvenzen, Unterbrechungen der Lieferkette infolge von Lieferanteninsolvenzen etc.) konfrontiert sind. Schon heute sind die Berufsaussichten für Risikomanager exzellent. Oft haben HR-Manager bereits Schwierigkeiten bei der Rekrutierung qualifizierter Mitarbeiter für das Risikomanagement. Analog zur steigenden Bedeutung dieses Themas wird die Nachfrage nach gut ausgebildeten Risikomanagern auch künftig weiter zunehmen. Gleichzeitig werden die Anforderungen an Risikomanager erheblich steigen. Dementsprechend erscheint eine – sowohl quantitative wie auch qualitative – Ausweitung der Ausbildung von Risikomanagern dringend erforderlich.

"Die deutsche Hochschullandschaft hat auf diesen steigenden Qualifikationsbedarf bisher noch nicht adäquat reagiert", meint Erben. Während im Postgraduate-Bereich schon seit längerem Angebote für den Erwerb von Risikomanagement-Zusatzqualifikationen existieren (etwa ein Masterprogramm der Hochschule Deggendorf sowie ein Zertifikatsprogramm der Universität Augsburg), ist das Thema an deutschen Universitäten zumeist noch nicht Bestandteil des regulären Curriculums geworden. "Das ohnehin spärliche Angebot ist darüber hinaus noch stark vom Banken- und Versicherungsparadigma dominiert", so Erben. Ansonsten wird das Thema "Risikomanagement" als eigenständiges Schwerpunktfach erst sehr vereinzelt angeboten (etwa von der Universität Würzburg oder der Universität Siegen).

Um die bestehenden Defizite zu beseitigen, sind nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Risk Management Association e. V. daher folgende Leitlinien für eine sachgerechte RM-Ausbildung wichtig:

  • Verankerung des Risikomanagements als zentrales Ausbildungselement, nicht nur als untergeordnetes Thema innerhalb anderer Fächer.
  • Gemeinsame und interdisziplinäre Behandlung von Risikophänomenen als Forschungsobjekte verschiedener Fachrichtungen, anstatt einer fragmentierten Betrachtungsweise in verschiedenen Disziplinen.
  • Integration der Systemrisiken auf volkswirtschaftlicher Ebene in den betriebswirtschaftlichen Betrachtungshorizont und vice versa Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Sichtweisen bei der Modellierung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge.
  • Etablierung des Risikomanagements als eingenständige betriebswirtschaftliche Querschnittsfunktion, vergleichbar mit dem Controlling oder dem Qualitätsmanagement.

 

Der Risk Management Association e. V. (RMA) mit Hauptsitz in München ist eine Vereinigung von Menschen und Organisationen in D, A, CH, die sich mit Risikomanagement beschäftigen. Sie fördert den abteilungs-, unternehmens-, branchen- und länderübergreifenden Dialog zu diesem Thema und leistet somit einen entscheidenden Beitrag, um die Methoden des Risikomanagements weiter zu entwickeln. Bei allen Fragestellungen des Risikomanagements ist die RMA Kompetenzpartner für Unternehmen, Politik, Behörden, Gesellschaft und Wissenschaft.