Nachhaltigkeitsratings - Die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken

Editorial der RMA-News im Controller Magazin

Bereits im 1. Quartal 2020 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein umfangreiches Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht, welches sich auch auf die Entwicklung von Ratings auswirkt. Durch die Umsetzung der Rahmenbedingungen wird insbesondere das Bewusstsein des Finanzsektors durch die BaFin sensibilisiert. Die BaFin wies auf die Chancen und Risiken hin, die sich durch die Veränderungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance - ESG) für die Finanzakteure ergeben.

Mit der Veröffentlichung des Merkblattes verbindet die BaFin eine eindeutige Erwartung an die beaufsichtigten Unternehmen und Institutionen. Die Aufforderungen, Nachhaltigkeitsrisiken angemessen in Prozessen zu implementieren, ist mehr oder weniger eine zwangsläufige Schlussfolgerung. Auch werden die Empfehlungen, die sich aus dem Merkblatt ergeben, in die aufsichtsrechtlichen Überprüfungsprozesse eingebunden. Demnach sind die Nachhaltigkeitsrisiken zu identifizieren und zu dokumentieren, mit der Maßgabe diese in angemessener Weise in die Geschäfts- und Risikostrategien zu implementieren. Entsprechend der BaFin-Definition sind Nachhaltigkeitsrisiken Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, deren Eintreten tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines beaufsichtigten Unternehmens haben können.

Nach den weiteren Ausführungen der BaFin wurde auf die Einführung einer eigenständigen Risikoart (Nachhaltigkeitsrisiken) verzichtet, da diese „neuen“ Risiken ohnehin auf die bereits bestehenden Risikoarten ihren Einfluss haben. Die Empfehlungen der BaFin werden heute als zweckmäßige Weiterentwicklung der formulierten Mindestanforderungen an die Ausgestaltung des Risikomanagements für Finanzinstitute eingestuft. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die Empfehlungen in die aufsichtsrechtlichen Prüfungshandlungen aufgenommen werden, auch wenn diese nicht in einer Verordnung verankert sind.

Im Rahmen der Untersuchung von Nachhaltigkeitsrisiken spielen die Auswirkungen auf die Reputation von Unternehmen eine wesentliche Rolle. Diese Reputationsrisiken nehmen an Bedeutung zu, wenn als zusätzliche Folge eintretender Ereignisse, Entwicklungen oder Verhaltensweisen ein finanzielles Schadenspotenzial entsteht - so die BaFin-Definition. Als weiteres, sehr wesentliches Reputationsrisiko werden Vertrauensverluste bei Geschäftspartnern und Mitarbeitern in den Unternehmen bezeichnet, die aufgrund von unrichtiger Informationsüberlassung durch das Management entstehen können. 

Die BaFin erwartet darüber hinaus auch eine regelmäßige Überprüfung der Geschäfts-und Risikostrategie der Unternehmen - immer unter dem Aspekt der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken. Diese sollten weiterhin in die Organisationsrichtlinien und die Prozessbeschreibungen in den Unternehmen aufgenommen werden. Die Verantwortung für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken ist im Wesentlichen die Aufgabe des Managements.

Durch die Kreditvergaben entstehen zwangsläufig die inhaltlichen Verbindungen zu den Ratingprozessen. Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit im Rahmen von Kreditvergaben und deren Prozessen werden neben den bereits bekannten etablierten Kreditvergabeprozessen zwischenzeitlich immer häufiger die sogenannte „ESG-Ratings“ eingesetzt. Im Rahmen der Bonitätseinstufungen von Unternehmen bei Kreditvergaben ist zu differenzieren, ob klassische herkömmliche Kreditratings oder ESG-Ratings Anwendung finden. Häufig beeinflussen ESG-Faktoren die Analyse der Wirtschaftlichkeit, der Marktsituation, der Unternehmensführung und der sonstigen Performance der Unternehmen - und können demzufolge auch eine Grundlage für die klassischen Kreditratings sein. 

In der Finanzbranche wird seit einiger Zeit beobachtet, dass unter den vorstehend aufgezeigten Überlegungen ESG-Ratings - bedingt durch das Aufzeigen von Nachhaltigkeitsrisiken - in den Focus rücken. Die Bewertungen von ESG-Faktoren werden gerade unter den umweltpolitischen Einflüssen immer wichtiger.

Abschließend möchte ich auf die Auswirkungen der aktuellen Corona-Krise auf die ESG-Faktoren eingehen. Das Thema Nachhaltigkeit ist politisch stark geprägt. Die Bundesregierung und die EU-Kommission betonen, dass die nicht ganz unbeachtlichen Fördergelder für Unternehmen und andere ökonomische „Corona-Unterstützungsmaßnahmen“ künftig auch an die Sozial- und Umweltverträglichkeit eines Unternehmens gebunden werden sollen. Umso mehr sollten gerade in diesen Zeiten Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen von Nachhaltigkeitsratings beleuchtet werden. In diesem Sinne verbleibe ich

mit den besten Grüßen

Ihr Prof. Dr. Wolfgang Biegert